Ein persönlicher Kommentar von Daniel Schweinberger, Bürgermeister Hart im Zillertal
Tourismus als gemeinsamer Erfolg in Tirol
Tirol ist unbestritten eine Tourismushochburg: Jährlich zählen wir über 50 Millionen Nächtigungen in unserem Land. Jeder dritte Euro wird direkt oder indirekt in dieser Branche verdient. Auf diese Leistungen können wir stolz sein.
Als Bürgermeister danke ich unseren Touristikern, Hoteliers und Tourismusverbänden unserer Region und unseres Landes ausdrücklich – sie vermarkten unsere touristischen Potentiale in aller Welt und bescheren Tirol wirtschaftlichen Wohlstand. Eine einzige Wintersaison bringt dem Tiroler Tourismus mehrere Milliarden Euro an Wertschöpfung. Diese Zahlen zeigen, welch gigantischer Wert jedes Jahr durch unsere Gäste geschaffen wird.
Dieser Erfolg ist das Ergebnis von Teamarbeit: Nicht nur die sichtbaren Akteure – Hotels, Seilbahnen, Tourismuseinrichtungen – tragen zum unvergesslichen Urlaubserlebnis bei, sondern auch unsere Gemeinden und unsere Bauern im Hintergrund!
Wer sorgt dafür, dass unsere Straßen gut instandgehalten werden, im Winter der Schnee geräumt wird, sauberes Trinkwasser fließt und das Abwasser zuverlässig abgeleitet wird? Wer trägt dazu bei, dass Tirol so aussieht, wie wir und unsere Gäste es schätzen – mit blühenden Wiesen, gepflegten Almen und weidenden Kühen?
Es sind unsere GemeindemitarbeiterInnen sowie unsere Bäuerinnen und Bauern, die Tag für Tag dafür sorgen, dass Infrastruktur und Kulturlandschaft erhalten bleiben. Ohne sie wäre Tirol nicht das Tirol, das wir und unsere Gäste kennen und lieben.
Trotzdem sind gerade Gemeinden sowie Bäuerinnen und Bauern bislang nicht angemessen am touristischen Erfolg beteiligt. Die Einnahmen aus der bestehenden Ortstaxe (Aufenthaltsabgabe) fließen größtenteils in Marketing und touristische Infrastruktur – zweifellos teils sinnvolle Maßnahmen.
Für die allgemeine Gemeindekasse oder die landwirtschaftliche Landschaftspflege bleibt jedoch nur wenig übrig. Viele Bürgerinnen und Bürger fragen sich daher berechtigt, ob der große Tourismus-Boom auch ihnen zugutekommt. Die Akzeptanz sinkt stetig, wenn beim überwiegenden Teil der Einheimischen der Eindruck entsteht, dass nur eine kleine Minderheit tatsächlich von den enormen Nächtigungszahlen profitiert. Diese Entwicklung sollten wir daher sehr ernst nehmen.
Die provokante Frage
Warum sollen wir Milliarden mit Nächtigungen verdienen – aber weder die Kulturlandschaft erhalten noch die kommunale Infrastruktur gesichert finanzieren können? Jahr für Jahr strömen Millionen Gäste zu uns, füllen die Kassen der Branche – aber unsere Gemeinden kämpfen gleichzeitig mit sehr knappen Budgets für Straßen, Wasser oder Kinderbetreuung.
Unsere Bergbauern überlegen, ob sie die mühsame Bewirtschaftung steiler Wiesen aufgeben sollen, weil trotz harter Arbeit kein wirtschaftliches Überleben ohne Nebenerwerb möglich ist.
Das passt nicht zusammen!
Natürlich – und das ist mir ganz wichtig zu betonen – will ich den Tourismus nicht schlechtreden – im Gegenteil: Der Tourismus in unserem Land soll so gestaltet werden, dass alle fair und gerecht am Erfolg teilhaben können. Wenn wir nichts am Status quo ändern, droht auf Dauer eine Schieflage: Einige profitieren vom Boom, während andere die Hauptlast wie zB die Verkehrsbelastung tragen. Das kann auf lange Sicht das Miteinander in unserem Land belasten. Ein Tourismus, der alle mitnimmt, ist hingegen gerechter, nachhaltiger und hat auch in der Bevölkerung einen festen Rückhalt.
Der Vorschlag: Ein Euro pro Nacht für Tirols Zukunft
Um diese Gerechtigkeitslücke zu schließen, schlage ich einen „Tiroler Euro“ vor. Dahinter steckt eine einfache Idee: Pro touristischer Nächtigung wird 1 € eingehoben, zusätzlich zu den bestehenden Abgaben, und per Landesgesetz zweckgewidmet – 50 Cent für die Gemeinden, 50 Cent für die Bauern als Erhalter der Kulturlandschaft.
Dieser eine Euro pro Gast und Nacht mag klein erscheinen, kann aber Großes bewirken. Bei über 50 Millionen Nächtigungen in Tirol ist das jährliche Potential beträchtlich.
So soll der „Tiroler Euro“ verteilt werden:
- 50 Cent an die Gemeinden: direkt für kommunale Infrastruktur wie Straßen, Wasserversorgung, Entsorgung, Nahverkehr oder Freizeiteinrichtungen. Das entlastet die Gemeindekassen und stellt sicher, dass die Grundlagen unseres Tourismusortes intakt bleiben.
- 50 Cent an die Landwirte als Kulturlandschafts-Pfleger: Über einen Landesfonds oder direkt über regionale Ausgleichszahlungen. Damit honorieren wir die Pflege unserer Wiesen, Wälder und Almen, die touristisch genutzt und beworben werden, und sichern die Zukunft der Bergbauern, die diese Landschaft erhalten.
Ein solcher Beitrag ist kein revolutionärer Bruch, sondern ein logischer nächster Schritt. In anderen Regionen Österreichs gibt es bereits ähnliche Modelle – dort profitieren Gemeinden und Infrastruktur spürbar. Warum also nicht in Tirol? Hier könnten wir mit 1 € pro Nacht gezielt unsere Kommunen und Kulturlandschaft stärken.
Wichtig ist: Der „Tiroler Euro“ soll zweckgebunden sein. Jeder Cent käme direkt den Fundamenten des Tourismus zugute – nicht etwa dem Landesbudget oder allgemeinen Ausgaben. Gäste würden damit ihr eigenes Urlaubserlebnis verbessern, indem sie für attraktive Dörfer und intakte Natur beitragen. Die Summe pro Gast ist moderat, doch der Nutzen für die Allgemeinheit wäre enorm.
Warum sollen wir Milliarden mit Nächtigungen verdienen – aber weder die Kulturlandschaft erhalten noch die kommunale Infrastruktur gesichert finanzieren können?
Ein fairer Ausgleich statt Schuldzuweisungen
Mir ist bewusst, dass Provokation nötig sein kann, um Denkprozesse anzustoßen. Daher stelle ich diese Fragen so pointiert. Aber es geht nicht darum, jemanden an den Pranger zu stellen. Touristiker und Gemeinden sitzen im selben Boot. Der „Tiroler Euro“ ist kein Angriff auf Hoteliers oder Tourismusverbände – im Gegenteil, er würde langfristig auch ihnen helfen. Denn gepflegte Ortskerne, gut erhaltene Wanderwege, funktionierende Ver- und Entsorgung und ein schöner Landschaftsausblick sind letztlich das, was unsere Gäste erwarten – und was die Touristiker vermarkten. Dieses Gesamtpaket können wir nur gemeinsam schnüren.
Es gibt in der Vermarktung von Tirol als Urlaubsland die ein oder andere Entwicklung, die mich zum Nachdenken bringt: Auf der einen Seite sind Millionenbeträge für Werbung im Ausland oder Sponsorings selbstverständlich – auf der anderen Seite fehlt es vor Ort oft am Nötigsten. Solche Ausgaben sind offenbar möglich, um Gäste anzulocken. Da dürfen wir doch fragen: Sollte es nicht mindestens ebenso möglich sein, einen Bruchteil dieser Summen in unsere eigene Infrastruktur und Landschaft zu investieren? Ohne konkrete Institutionen zu kritisieren, möchte ich klarstellen: Es geht nicht darum, Werbung oder Investitionen in den Tourismus zu streichen – es geht darum, eine Balance zu finden.
Vision eines gerechten Tiroler Weges
Ich bin überzeugt, dass der „Tiroler Euro“ ein zukunftsweisender Schritt für einen fairen, nachhaltigen Tourismus in unserem Land wäre. Es geht um Wertschätzung und Weitsicht: Wertschätzung für jene, die im Hintergrund so viel leisten, und die Weitsicht, den Tourismus auf ein stabiles Fundament zu stellen. Dieses Fundament besteht nicht aus Luxusressorts und Marketing alleine, sondern aus Straßen, Wasserleitungen, Wanderwegen – und aus grünen Wiesen und sauberen Bächen.
Ein Tirol, das diesen Weg geht, übernimmt Verantwortung für seinen Erfolg. Wir zeigen unseren Bürgerinnen und Bürgern, dass wir ihre Anliegen gehört haben. Wir zeigen unseren Gästen, dass ihr Beitrag hier ankommt und sichtbar Gutes bewirkt. Vor allem aber zeigen wir uns selbst, dass wir den Mut haben, neue Wege zu gehen – für ein besseres Miteinander von Tourismus und Heimat.
Ohne großen politischen Aufruf, ohne Schuldzuweisungen, aber mit einer klaren Vision: Ein Tirol, in dem Erfolg gerechter verteilt ist und in dem wir mit Stolz sagen können, dass der Tourismus allen nutzt.
Der Tiroler Euro ist eine Idee für uns TirolerInnen!
Dieser persönliche Beitrag soll zum Nachdenken anregen. Der „Tiroler Euro“ ist eine Idee, kein Allheilmittel. Aber vielleicht kann er ein Anfang sein – für einen gerechten, zukunftsgerichteten Tiroler Weg, von dem wir in einigen Jahren sagen: Gut, dass wir uns damals getraut haben.
Meint Euer Bürgermeister,
Daniel Schweinberger
Ich freue mich über Eure Meinung zum Thema! Schreibt mir unter d.schweinberger@hartimzillertal.at